Der Wolf ist weiter auf dem Vormasch - zum Leidwesen vieler Landwirte. Anlässlich der wachsenden Wolfspopulation und der damit verbundenen zunehmenden Zahl an Wolfsrissen haben sich die CDU-Landtagsabgeordneten Birgit Heitland und Sandra Funken in einem Brief an Umweltministerin Priska Hinz (B'90/Die Grünen) gewandt.

"Die Rückkehr des Wolfes ist vor dem Hintergrund der Artenvielfalt und des Tierschutzes durchaus positiv zu bewerten. Wir halten es jedoch für problematisch, wenn die Konsequenzen für die bestehende Kulturlandschaft, die aus der Rückkehr des Beutegreifers resultieren, nicht ausreichend bei der Gestaltung des Wolfsmanagements berücksichtigt werden. Wir haben bereits eine Reihe an Fördermaßnahmen im Bereich des Herdenschutzes, die die besonders betroffenen Weidetierhalter entlasten sollen. Die Realität zeigt aber, dass Herdenschutz alleine nicht ausreicht. Mittelfristig müssen wir daher auch weitere Schritte, wie eine Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht prüfen", so Funken.

Nachfolgend finden Sie den Brief im Worlaut zum Nachlesen:

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Hinz,

am 25. Juni 2020 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung („Wölfe reißen Pferde – Tödlicher Tierschutz“) über den Angriff eines Wolfsrudels in Niedersachsen auf ein Pferdezuchtgebiet, dem zwei Jungpferde zum Opfer fielen. Die FAZ griff damit die Berichterstattung zahlreicher regionaler Medien und die sorgenvolle Stimmung in der Bevölkerung auf. Der Angriff ist der vorläufige tragische Höhepunkt einer Entwicklung, die viele Menschen in Deutschland und Hessen – allen voran die weidetierhaltenden Landwirtinnen und Landwirte – mit zunehmendem Argwohn beobachten. Die bisherige weitverbreitete Annahme, Großpferde seien durch den Wolf nicht gefährdet, wird durch den Überfall in Niedersachsen konterkariert.

Wir begrüßen selbstredend, dass die Hessische Landesregierung den Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter mit einem umfangreichen Portfolio monetärer Unterstützungsleistungen entgegenkommt – dazu gehören beispielsweise die unlängst erhöhte Herdenschutzprämie sowie die neue Weidetierprämie. Die Tatsache, dass die Wölfe bei dem Angriff in Niedersachsen in der Lage waren, ordnungsgemäße Umzäunungen zu überwinden, zeigt aber, dass den Möglichkeiten des Herdenschutzes Grenzen gesetzt sind. Auch in unseren südhessischen Wahlkreisen, zum Beispiel in Lautertal, gab es Fälle, bei denen Wölfe ordnungsgemäße Zäune überwunden haben.

Nach zahlreichen Gesprächen mit Landwirtinnen und Landwirten hat sich herauskristallisiert, dass die finanziellen Aufwendungen für einen tatsächlich funktionalen Herdenschutz, die Mittel der Betroffenen, trotz der Landesförderung, in vielen Fällen übersteigen. Besonders vor dem Hintergrund der wachsenden Wolfspopulation in Deutschland ist dies besorgniserregend – denn die Kosten des Herdenschutzes werden höchstwahrscheinlich weiter zunehmen. Gerade die Schaf- und Ziegenzucht ist kein außerordentlich lukratives Geschäft. Es besteht die Gefahr, dass viele Betroffene, aufgrund ökonomischer Belastungen des Herdenschutzes, in der kommenden Zeit ihren Beruf aufgeben werden. Damit würden wir einen wichtigen Bestandteil der Kulturlandschaft verlieren, vor allem im ländlichen Raum.
Wir dürfen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Problemlösungskompetenz nicht verspielen, indem wir tatenlos zusehen, wie ein bestehendes Problem unkontrolliert wächst.

Herdenschutzförderung kann nicht das einzige Werkzeug sein, mit dem wir die empfindliche Balance zwischen Arten- und Tierschutz und der Nutztierhaltung gestalten. Die Wolfspopulation in Deutschland ist nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand mittlerweile auf einem soliden Niveau. Es wird nach unserer Ansicht Zeit, von einer Aufbauphase in eine Managementphase überzugehen.

Der Schutz des Wolfes basiert auf internationalen Verpflichtungen, die aus einer Zeit stammen, in der es in Deutschland kaum oder keine Wölfe gab. Eine blinde Akzeptanz bestehender Tierschutzrichtlinien ist daher der falsche Weg. Es gehört zu den Aufgaben verantwortungsvoller Politik, Strategien an sich verändernde Problemlagen anzupassen. Nach unseren Informationen hat die EU den Mitgliedstaaten bereits erweiterte Gestaltungs- und Regulierungsmöglichkeiten eingeräumt, um der Bedrohung durch die wachsende Wolfspopulation zu begegnen.

Wir unterstützen, dass die Bundesregierung bereits beschlossen hat, die Entnahme von Wölfen bei ‚ernsten‘ Schäden zu gestatten und das Füttern der Tiere verboten hat. Ein nächster Schritt muss nun sein, den Wolf aus der Kategorie „streng geschützt“ in die Kategorie „geschützt“ in der FFH-Richtlinie zu überführen und den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Natürlich plädieren wir dafür, dass diese Aufnahme wissenschaftlich fundiert sein muss. Das bedeutet, es muss untersucht werden, welche Anzahl an Wölfen in einem bestimmten Gebiet für die Kulturlandschaft vertretbar ist. Beispielhafte Untersuchungen gibt es in den baltischen Staaten, Polen und Bulgarien.

Anschließend muss den Jägerinnen und Jägern eine Bejagung der Raubtiere bei einer Überschreitung der festgelegten Maximalpopulation gestattet werden. Behauptungen, man riskiere damit eine neuerliche Ausrottung des Wolfes in unsere Hemisphäre, treten wir überzeugt entgegen. Andere Wildtiere, wie Fuchs und Wildschwein, sind schließlich trotz Aufnahme ins Jagdrecht in sehr gutem Erhaltungszustand.

Darüber hinaus zeigt das Beispiel der Slowakei, dass der Wolf keinen positiven Effekt auf die überhöhten Rot- und Schwarzwildbestände hat. Dort ist das Ausbreitungsareal des Wolfes nahezu identisch mit dem des Rotwildes. Dennoch sind die Rotwildbestände in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen. Auch die Rehwildstrecken haben sich in der Slowakei zwischen 1968 und 2018 fast verdreifacht.

Schalenwildbestände können sich in ihrem Verhalten also gut an die Anwesenheit des Wolfes anpassen. Gleichwohl gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Wolf ganze Muffelwildbestände auslöschen kann. Den Wolf zu schützen und dafür andere Tierbestände und Teile unserer Kulturlandschaft zu opfern, ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg, um die Bevölkerung für mehr Artenschutz zu sensibilisieren.

Darüber hinaus zeigen insbesondere die Wolfssichtungen in den vergangenen Monaten, dass die Tiere zunehmend ihre Scheu vor dem Menschen verlieren. Wölfe greifen Schaf- und Ziegenherden teils noch bei Tageslicht an, durchstreifen Ortschaften und trauen sich immer näher an Straßen und Bauernhöfe heran. Wir sind stark gegen eine Emotionalisierung und Skandalisierung der Debatte, hören jedoch immer wieder Stimmen aus der Bevölkerung in den ländlichen Regionen, die befürchten, Haustiere oder Kleinkinder könnten in naher Zukunft durch Wölfe gefährdet werden. Hinzukommt die Traumatisierung der Menschen durch das Auffinden zerfetzter und ausgeweideter Nutztiere. Auch für überzeugte Tierschützer kann es nicht erträglich sein, dass Weidetiere, die nicht aus der Umzäunung fliehen können, von Wölfen zerrissen werden oder zu ihrem eigenen Schutz in abgesperrte Gehege eingepfercht werden müssen.

Der Vorfall in Niedersachsen macht außerdem auf eine weitere beunruhigende Wahrheit aufmerksam: Aggressive Wölfe, wie der „Rodewalder Wolf“ bringen den Jungtieren des Rudels bei, Zäune zu überspringen oder größere Tiere zu reißen. Es ist also anzunehmen, dass es nicht bei diesem isolierten Angriff bleiben wird, sondern zukünftig mehr Wölfe lernen werden, Zäune zu umgehen und Pferde oder Rinder anzugreifen. Wir dürfen nicht zusehen, bis die Lage schlimmer wird, sondern müssen jetzt Schritte für eine ausreichende Prävention von Schäden an Nutztier, Mensch und Wirtschaft ergreifen.

Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie daher mit diesem Schreiben bitten, sich im Rahmen der Umweltministerkonferenz für eine Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht und eine bundesweite Strategie zur Vermeidung von Wolfsrissen einzusetzen. Es wäre weiter zielführend, wenn sich die Hessische Landesregierung auch im Bundesrat und auf der europäischen Ebene entsprechend positionieren würde.

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